Schapel, Flitterkränze, Brautkronen und Totenkronen

Schapel, Flitterkränze, Brautkronen und Totenkronen.

Würdigung der geliebten Unschuld.

 

Im Mittelalter trug man in manchen Gegenden Vorarlbergs bis zur Hochzeit als ledige Frau guten Standes einen funkelnden, golden glänzenden Kopfschmuck aus Drahtblüten und gestanzten Metallblättern, Schapel genannt, zu festlichen Anlässen und hohen Kirchentagen. Das Wort entstammt dem mittelhochdeutschen „Schappel“ und bedeutet so viel wie Blumenkranz oder Laubkranz. Die hohe „Flitterkrone“ gehört in Vorarlberg zur Mädchentracht und wird dort je nach Region und Dialekt auch Schäppili, Schappele, Schäppel, oder Chränsle genannt. Die ledigen Mädchen trugen die Flitterkrone z.B. zum Erntedankfest oder zum Georgifest, (z.B. auch in Effeltrich, oberfränkischer Landkreis, wo sie heute noch getragen werden) um zu zeigen wie gut situiert ihre Familie ist und zuletzt wenn das Mädchen heiratete, setzte sie die Flitterkrone zur Hochzeit auf. Danach wurde sie in der Familie aufbewahrt und weitergegeben.

Im archäologischen Museum in Patra, Griechenland befinden sich vier menschliche Schädel von ca. 275-400 vor Christus, die mit Kränzen aus vergoldeten Myrteblättern und kleinen Früchten, sowie vergoldeten Bronzeblättern geschmückt sind.  Im gesamten europäischen Raum gab es ganz ähnliche Kronen und Kränze, die vom 16. Bis zum 19. Jahrhundert (und wahrscheinlich auch schon früher) für verstorbene Säuglinge, Kinder und früh verstorbene weibliche und männliche Ledige, sowie in seltenen Fällen auch für im Kindbett verstorbene Frauen verwendet wurden. Vermutlich waren sie für eine „himmlische Hochzeit“ gedacht, die die Verstorbenen auf Erden nicht mehr erleben durften. Man nannte diese Kronen, von denen in so mancher Gruft sogar mehrere gefunden wurden „Totenkronen“ und sie waren konfessionsübergreifend sowie länderübergreifend. Das Sakralmuseum St. Annen hat einen umfassenden Bestandskatalog der Kamenzer Totenkronen des 18. Und 19. Jahrhunderts herausgebracht: „Verlust- von Totenkronen und Erinnerungskultur“

Im großen Walsertal, im Bregenzerwald und im Montafon, sowie im südlichen Schwarzwald hielt sich der Brauch, Schapel und Flitterkronen zu tragen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und wird mittlerweile auch wieder belebt, es gibt wieder HandwerkerInnen in Vorarlberg, Deutschland und der Schweiz, die sowohl Totenkronen nachbauen (Trudi Ziegler- Baumann und Lisabeth Steiner aus der Schweiz haben zusammen die Windsheimer Totenkrone nachgebaut und Trudi Ziegler-Baumann hat mit Barbara Baumann zudem ein Klosterarbeits- Buch herausgebracht, das nicht nur reich bebildert ist, sondern auch Schritt für Schritt einzelne Arbeitstechniken zur Herstellung von Drahtblüten- und Blättern zeigt. ) oder auch Schäppel und Flitterkronen herstellen, die wieder getragen werden.    In jedem Fall, ob lebendig oder tot, seit über 2000 Jahren schon wird also das Wertvolle, Geliebte, Unschuldige, Jungfräuliche, Unberührte gekränzt, mit Blumen und Blättern geschmückt, verziert, gekrönt.

 

Die Kronen aus der Opponitzer GoldSpinnerei haben sich langsam entwickelt. Die erste Krone war eine Auftragsarbeit für eine Zwirnsknopfmacherin und kann nun im Handarbeitsmuseum in Pregarten/ Oberösterreich besichtigt werden.

Mich faszinierte ursprünglich ja eigentlich nur das Handwerkliche, ich wollte wissen, wie man so etwas herstellt. Erst später habe ich begonnen, mich an Trachtenforschungsstellen und Experten/ Expertinnen im In- und Ausland zu wenden und mir Bücher zu besorgen, sodass ich dann mehr über die verschiedenen Kronen erfuhr. In der Klosterarbeit gibt es aber sehr wohl auch viele verschiedene Arten von Kronen, die auch bei uns im Mostviertel bekannt sind und die Drahtblüten- und Blätter sind ebenso wie der Kopfschmuck aus Vorarlberg, Bayern oder der Schweiz aus Techniken der Klosterarbeit hergestellt, die als historisches Kunsthandwerk gilt, im Barock entstanden ist und als immaterielles Kulturerbe gilt, deren Wiederbelebung und Weitergabe zum Beispiel die Werkgruppe Klosterarbeiten rund um Birgit Aigner in Krenglbach- Oberösterreich übernommen hat.

Auch Katakombenheilige (geschmückte Skelette aus den Katakomben Roms) tragen Klosterarbeits- Kronen, wie z.B. die Heilige Felicitas am Sonntagberg oder ein kleiner Schädel, den Kaiserin Sissi der Kirche Sonntagberg geschenkt hat und der ebenfalls gekrönt ist und in der Basilika zu besichtigen ist.  Auch Primizkronen, die zur ersten gefeierten Messe eines Priesters überreicht werden und von Klosterarbeiter/Innen hergestellt werden, sind bekannt. Und es gibt viele verschiedene Arten von Kronen: Ederkronen, Perlkronen, Erntekronen aus Golddrähten und Perlrispen, aus feinstem Haardraht gewickelten Weinblättern, die in Heimatmuseen oder bei Ausstellungen gezeigt werden.

 Ich selbst habe noch nie im Leben eine originale Flitterkrone oder ein Schapel gesehen, ich kenne nur Bilder davon. Ich habe auch nur mit einer einzigen Frau telefonisch kurz Kontakt gehabt, die sowas in Bayern herstellt, und sie hat mir eigentlich nicht viel Mut gemacht, da sie damals meinte, das Werkzeug und die Maschinen die man dafür bräuchte, gäbe es nicht mehr. Nun hat mir mein Mann Werkzeug gebaut um rechteckige Bortenbänder herstellen zu können und mein Vater hat eine Drahtzwirbel- Maschine für mich erfunden und gebaut, mit der ich nun gestanzte Metallblätter auf Draht fädeln und verzwirbeln kann, damit die Krone auch wirklich funkelt und glitzert im Licht. Die Einzelteile bestehen übrigens aus echt vergoldetem und versilbertem Draht. Ich habe mir das Wissen um den Bau so einer Krone selbst angeeignet, indem ich es einfach ausprobierte.

Die Kronen die ich baue, sind aufgebaut aus Karton, händisch wird dann Metallfolie vorgestanzt und auf den Karton genäht, danach die Ränder mit weichem Rehleder benäht, unter dem sich Kupferdraht befindet, damit der Reif die Form behält.

Außen wird die Krone benäht mit Perlknöpfen, Zwirnknöpfen, Blüten und Blättern, die der Klosterarbeit entstammen und aus vergoldeten und versilberten Drähten, Rosenkranzperlen, Glasperlen, Granatsteinchen, Pailletten, Stoffröschen, Wachsperlen, Spiegel (gegen böse Geister), gewickelten Draht-Ornamenten und aus Draht gebogenen und mit Perlenreihen umwickelten Borten bestehen. Es wird Bouillondraht, Lahn, Cordonettdraht, Messingdraht, Lackdraht, Haardraht, usw.… verwendet um damit in monatelanger Handarbeit filigrane Einzelteile herzustellen, die letztendlich zu Blüten und Blättern, Ranken und Bändern geflochten, gewickelt, gedreht und händisch festgenäht werden. Es entstehen Einzelteile, die sich „Himmelstreppe“, „Maltesertrauben“, oder „Sissi-Sterne“ nennen. Jedes Blütenblatt muss letztendlich festgenäht werden, damit die ganze Blüte dann eine schöne Form hat und gut hält.

Die Innenseite der Krone wird zuerst mit weiteren Kartonreifen bestückt, an denen Samtbänder zum Binden der Krone befestigt werden, sowie ein Steck-Kamm. Weiters müssen Schlaufen befestigt werden, damit man später mit Haarnadeln die Krone feststecken kann. Erst wenn das Innenleben komplett fertig ist, kann man es mit besonderen Borten verkleiden. Dazu kaufe ich antike, kaputte Trachtenhüte und trenne die gestickten Unterseiten der Krempe heraus. Manchmal sind diese aus Metallstickereien gemacht, dann sind sie besonders edel. Für diese Stickereien werden dieselben Drähte verwendet, die auch in der Klosterarbeit verwendet werden. 

Fertig ist die Krone, wenn man außen nichts mehr vom Unterbau sieht und die Metallfolie nicht mehr zu sehen ist, sowie die Innenwände komplett verkleidet und mit Stoff überzogen sind. Zuletzt wird am oberen Rand der Krone noch eine schöne Abschluss-Borte auf die Kante gesetzt. So kann man den „Blumenkranz“ nun aus allen Richtungen betrachten und das Auge wird nur Blüten und Stickereien, Borten und funkelndes Gold entdecken. Die Person, die am Ende die Krone trägt, steht automatisch aufrechter, hält den Kopf gerade, und wirkt erhaben und würdevoll. 

Die Würdigung der Objekte, die man mit einer Krone schmückt, steht bei dieser Arbeit im Vordergrund. Man wird ganz andächtig, weil es so viel Arbeit ist. Arbeit die man im Falle der Totenkronen sogar für VERSTORBENE gemacht hat! Welche Liebe für diese geschmückten Toten dahintersteckt!

 

Vor Kurzem designte und baute ich eine Brautkrone zur Eisenstrassen- Festtagstracht. Sie besteht aus handgeschmiedeten Knöpfen, einer Schmiedezange, patinierten Silberdraht-Blüten und dem typischen roten Stoff mit den von Herbert Landl in Hollenstein designten Mustern, die sich auch als Sgraffito an der Fassade des Lunzer Amonhauses befinden. Die Eisenstrassen- Krone kann man bei Loden Landl in Hollenstein im Geschäft besichtigen. Die Herstellung der Eisenstrassen-Krone dauert dann jeweils etwa 4-6 Wochen, jede Krone ist ein handgearbeitetes Unikat.